Ist Agilität am Ende? Müdigkeit und Dogmatismus in Bezug auf Agilität

Ein Gespräch mit Paul Boekhout

In den letzten Jahren war Agilität der Inbegriff moderner Organisationsformen. Doch immer mehr Stimmen behaupten, dass Agilität am Ende sei. Hat die agile Bewegung ausgedient, oder stehen wir vor einer neuen Phase ihrer Entwicklung? In einem spannenden Gespräch mit Paul Boekhout, einem erfahrenen Agile Coach und Berater, beleuchtet Ari Byland die aktuellen Herausforderungen und die Zukunft von Agilität.

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Agilität als Unwort: Warum sich die Wahrnehmung verändert hat

Agilität hat sich in vielen Unternehmen fest etabliert. Dennoch beobachten wir, dass das Wort “Agil” zunehmend negativ behaftet ist. Paul Boekhout erklärt diesen Wandel mit der Übersättigung und einem wachsenden Dogmatismus in der Anwendung agiler Methoden. Viele Firmen hätten unrealistische Erwartungen an die Agilität entwickelt, was zu Enttäuschungen führte. Oftmals haben Unternehmen agile Prozesse eingeführt, ohne die zugrunde liegenden Prinzipien wirklich zu verstehen oder zu verankern.

“Viele Unternehmen konzentrieren sich zu stark auf Prozesse und Rollen, anstatt die eigentlichen Herausforderungen anzupacken. Sie messen Output, aber selten Outcome.”

Paul Boekhout

Der Mythos der schnellen Veränderung

Ein weiterer Grund für die Ernüchterung: Viele Unternehmen erwarten zu schnelle Ergebnisse. Agilität wird oft als Wundermittel verkauft, das Probleme im Handumdrehen lösen soll. Wenn die gewünschten Effekte nicht sofort sichtbar sind, verliert das Management schnell die Geduld und sucht nach der nächsten “Silver Bullet”. Paul betont, dass Agilität kein Projekt mit einem klaren Enddatum ist, sondern kontinuierliche Anpassung und harte Arbeit erfordert.

“Es ist gefährlich, Agilität als kurzfristige Lösung zu betrachten. Die wahre Herausforderung liegt darin, die Prinzipien langfristig in der Kultur zu verankern”, sagt Paul.

Was nun? Agilität in Zeiten von KI und Digitalisierung

Interessanterweise führt die wachsende Bedeutung von Künstlicher Intelligenz (KI) und Daten in Unternehmen zu einem neuen Fokus. Paul beobachtet, dass die Agilität von Themen wie Digitaler Transformation und AI-Consulting überlagert wird. “Wir erleben eine Rückkehr zu Top-Down-Ansätzen, weil viele neue Führungskräfte keinen agilen Hintergrund haben und schnelle Ergebnisse sehen wollen.” (Höre auch: Digitale Transformation der Raiffeisen Schweiz)

Paul warnt jedoch davor, Agilität zu früh abzuschreiben. Denn die Grundprinzipien der Agilität – iterative Prozesse, Experimente und selbstorganisierte Teams – sind heute wichtiger denn je. “Agilität ist nicht tot, sie wird sich nur neu erfinden müssen. Die Herausforderungen bleiben, und die agilen Arbeitsweisen bieten weiterhin die besten Antworten darauf.”

Zurück zu den Wurzeln: Kleine Schritte und Zusammenarbeit

Wie kommen wir also aus dem “Tal der Tränen” heraus? Pauls Lösung: Zurück zu den Ursprüngen der Agilität. Es braucht mehr Fokus auf echte Zusammenarbeit und weniger starre Frameworks. Teams sollten gemeinsam überlegen, wie sie am besten arbeiten können, ohne von Dogmen eingeschränkt zu werden. “Vielleicht nennen wir es in Zukunft nicht mehr Agilität, aber die Prinzipien bleiben relevant”, so Paul. (Höre auch: Ist den Agilist*innen die Professionalität abhanden gekommen?)

Fazit

Agilität mag sich in der Wahrnehmung verändert haben, aber ihre Prinzipien sind nach wie vor entscheidend für den Erfolg moderner Unternehmen. In einer Welt, die von rasanten technologischen Entwicklungen wie KI und Daten geprägt ist, sind iterative Ansätze und selbstorganisierte Teams unverzichtbar.


Paul Boekhout im Gespräch zu "Ist Agilität am Ende?"

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⁠⁠⁠Ari Byland⁠⁠⁠ ist Agile- und Transformations-Coach, sowie Professional Scrum Trainer. 

Produktion: ⁠⁠⁠Silvio Rätzer⁠⁠