Ein Gespräch von Ari Byland mit Dr. Karen Eilers
«Agiles Mindset» – grosse Worte, wenig Greifbares? Ich kenne das Augenrollen. Lange war der Begriff für mich eher Ausrede als Ansporn: «Für mich war das agile Mindset ein Totschlagargument.» In der Episode mit Dr. Karen Eilers haben wir das entzaubert. Es geht nicht um Moral oder Etiketten, sondern um Haltungen, die sich im Alltag zeigen – und trainieren lassen.
Auch verfügbar auf Apple Podcasts und YouTube
Wo wir uns gern verirren
Wenn Transformationen harzen, hört man oft: Den anderen fehlt das Mindset. Ein bequemer Kurzschluss – schützt das eigene Selbstbild, löst aber nichts. Die Forschung nennt das Attributionsfehler: Wir schreiben Probleme lieber Personen zu als Situationen. Genau so taucht das Schlagwort «agiles Mindset» in vielen Scheitergeschichten auf.
Was «agiles Mindset» ganz unakademisch heisst
Dr. Karen Eilers bringt es schlicht auf den Punkt:
«Das Agile Mindset definieren wir als eine Einstellung zu bestimmten Verhaltensweisen, die in einem komplexen Umfeld nützlich sind.»
Vier Haltungen machen es greifbar:
- Learning Spirit: Neugierig bleiben. Neues ausprobieren, auch wenn noch nicht alles klar ist. Jede Woche etwas dazulernen – sichtbar.
- Collaborative Exchange: Offen reden, gerade über das, was schwer fällt. Transparenz öffnet den Raum, damit andere helfen können. Pseudokollaboration (nett, aber ohne echte Daten) vermeiden.
- Customer Co-Creation: Früh mit Kund:innen (intern wie extern) sprechen, gemeinsam Wert bauen statt nur das, was wir selber gern bauen würden.
- Empowered Self-Guidance: Verantwortung übernehmen. Methoden anpassen, wenn sie nicht helfen – nicht warten, bis «jemand» entscheidet.
Das ist kein Persönlichkeitstest, sondern gelebter Alltag: Gespräche, Entscheidungen, kleine Schritte.
Wie der Einstieg gelingt: klein, sichtbar, ehrlich
Viele Teams merken erst im Spiegel, was sie tun – und was nicht. Ein einfacher Start: eine kurze Standortbestimmung entlang der vier Haltungen. Oft genügt die Frage: «Was ist wichtig – und machen wir es wirklich?» Daraus entstehen bessere Experimente, als jede:r Externe vorschlagen könnte.
So kann das aussehen (echte Beispiele aus unserer Praxis und dem Value-Talks-Kosmos):
- Learning Spirit: Wöchentliche 10-Minuten-Runde: 1 Learning, 1 Frage, 1 nächster Schritt. Sichtbar für alle.
- Collaborative Exchange: In der nächsten Retro ein «Pain-Board» eröffnen: Welche Hürden werden bisher verschwiegen – warum?
- Customer Co-Creation: Zwei frühe Touchpoints in den nächsten 14 Tagen: Prototyp zeigen, Feedback integrieren.
- Empowered Self-Guidance: Klären, was das Team selbst entscheiden darf – und es ausprobieren.
Wer mehr Struktur mag, arbeitet mit kurzen Interview-Schleifen und Hypothesen – nicht zehn Dinge zugleich, sondern fokussiert und lernorientiert. (Höre auch: Lean Change Management – Organisationsentwicklung in kleinen Schritten)
Und wirkt das?
Es gibt erste Hinweise: Wo diese Haltungen stärker gelebt werden, zeigen Organisationen mehr Beweglichkeit – und das kann sich auf die Leistung auswirken. Wichtig bleibt die Einordnung: Das sind Zusammenhänge, keine endgültigen Kausalbeweise. Seriös bleibt, wer neugierig prüft statt endgültig urteilt.
Fazit: Agile Mindset ist weniger Glaubensfrage als Gewohnheitstraining. Wer neugierig bleibt, offen zusammenarbeitet, mit Kund:innen co-kreiert und Verantwortung übernimmt, macht Agilität im Alltag sichtbar – Schritt für Schritt.
Weiterhören & Weiterlesen:
Die ganze Episode mit Dr. Karen Eilers vertieft Definition, Beispiele und Stolpersteine. Zudem wird es mehr dazu im Value-Talks-Buch geben.

Abonniert jetzt den Podcast via Spotify oder Apple Podcast.
Ari Byland ist Organisationsentwickler und Professional Scrum Trainer bei Scrum.org.